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BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
 ZUM 56. WELTGEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFUNGEN

 

Der Mut zum Wagnis für die Verheißung Gottes

Liebe Brüder und Schwestern,

nach der lebendigen und fruchtbaren Erfahrung der Jugendsynode im vergangenen Oktober haben wir vor kurzem in Panama den 34. Weltjugendtag begangen. Es waren dies zwei große Treffen, die es der Kirche erlaubt haben, auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören wie auch dem Leben der jungen Menschen Gehör zu schenken, ihren Fragestellungen, der Müdigkeit, die sie bedrückt, und der Erwartungen, die sie haben.

Ich möchte genau das, was ich mit den Jugendlichen in Panama teilen konnte, an diesem Weltgebetstag für geistliche Berufungen wieder aufgreifen und darüber nachdenken, wie der Ruf des Herrn uns zu Trägern der Verheißung macht und zugleich den Mut zum Wagnis mit ihm und für ihn von uns verlangt. Ich möchte kurz bei diesen beiden Aspekten verweilen – die Verheißung und das Wagnis. Dazu möchte ich gemeinsam mit euch die Stelle des Evangeliums von der Berufung der ersten Jünger am See von Galiläa betrachten (Mk 1,16-20).

Zwei Brüderpaare – Simon und Andreas zusammen mit Jakobus und Johannes – sind gerade bei ihrer täglichen Arbeit als Fischer. In diesem anstrengenden Beruf haben sie die Gesetze der Natur erlernt und manchmal mussten sie ihnen trotzen, wenn die Winde ungünstig waren und die Wellen die Boote durchschüttelten. An manchen Tagen belohnte ein reicher Fischfang die harte Mühe, aber andere Male genügte der Einsatz einer ganzen Nacht nicht, um die Netze zu füllen, und man kehrte müde und enttäuscht ans Ufer zurück.

Dies sind die gewöhnlichen Lebenssituationen, in denen jeder von uns sich an den Wünschen misst, die er im Herzen trägt: Er setzt sich in Tätigkeiten ein, von denen er hofft, dass sie fruchtbar sein mögen, er geht im „Meer“ vieler Möglichkeiten auf der Suche nach der richtigen Route voran, die seinen Durst nach Glück stillen kann. Zuweilen freut man sich über einen guten Fischfang, andere Male jedoch muss man sich mit Mut wappnen, um ein von den Wellen hin und her geworfenes Schiff zu steuern, oder mit der Enttäuschung rechnen, mit leeren Netzen dazustehen.

Wie in jeder Berufungsgeschichte ereignet sich auch in diesem Fall eine Begegnung. Im Vorübergehen sieht Jesus diese Fischer und nähert sich … So ist es mit der Person geschehen, mit der wir uns entschieden haben, das Leben in der Ehe zu teilen, oder so war es, als wir die Anziehungskraft des geweihten Lebens verspürt haben: Wir haben die Überraschung einer Begegnung erlebt und in diesem Augenblick haben wir die Verheißung einer Freude erahnt, die imstande ist, unser Leben erfüllt zu machen. So ging Jesus an jenem Tag am See von Galiläa diesen Fischern entgegen und brach die »Lähmung durch die Normalität« (Predigt am 22. Welttag des geweihten Lebens, 2. Februar 2018) auf. Und sofort richtete er eine Verheißung an sie: »Ich werde euch zu Menschenfischern machen« (Mk 1,17)

Der Ruf des Herrn ist also nicht eine Einmischung Gottes in unsere Freiheit; er ist nicht ein „Käfig“ oder eine Last, die er uns aufgebürdet hat. Er ist vielmehr die liebevolle Initiative, mit der Gott uns entgegenkommt und uns einlädt, in ein großes Projekt einzusteigen, an dem er uns teilhaben lassen will. Er eröffnet uns dabei den Horizont eines viel weiteren Meeres und eines überreichen Fischfangs.

Es ist nämlich Gottes Wunsch, dass unser Leben nicht im Banalen gefangen bleibt, nicht träge in den Alltagsgewohnheiten dahintreibt und nicht Entscheidungen meidet, die ihm Bedeutung verleihen könnten. Der Herr will nicht, dass wir uns damit abfinden, in den Tag hineinzuleben, und denken, dass es im Grunde nichts gibt, wofür sich ein Einsatz voller Leidenschaft lohnen würde; er will nicht, dass wir so die innere Unruhe auslöschen, nach neuen Routen für unsere Fahrt zu suchen. Wenn er uns manchmal einen „wunderbaren Fischfang“ erleben lässt, so tut er dies, weil er uns entdecken lassen will, dass jeder von uns – auf verschiedene Weise – zu etwas Großem berufen ist und dass das Leben sich nicht in den Netzen des Sinnlosen und dessen, was das Herz betäubt, verfangen darf. Die Berufung ist somit eine Einladung, nicht am Ufer mit den Netzen in den Händen stehen zu bleiben, sondern Jesus auf dem Weg zu folgen, den er uns zugedacht hat, für unser Glück und für das Wohl der Menschen um uns.

Natürlich erfordert die Annahme dieser Verheißung den Mut zu einer Entscheidung. Als die ersten Jünger hörten, wie Jesus sie rief, an einer größeren Sendung teilzunehmen, »ließen sie sogleich ihre Netze liegen und folgten ihm nach« (vgl. Mk 1,18). Das bedeutet, dass wir, um dem Ruf des Herrn zu folgen, uns selbst ganz einbringen und das Wagnis eingehen müssen, uns einer völlig neuen Herausforderung zu stellen; wir müssen alles loslassen, was uns an unser kleines Boot binden möchte und uns daran hindert, eine endgültige Entscheidung zu treffen; von uns wird jene Kühnheit verlangt, die uns mit Nachdruck antreibt, den Plan zu entdecken, den Gott für unser Leben hat. Im Grunde genommen können wir uns, wenn wir vor dem weiten Meer der Berufung stehen, nicht länger damit begnügen, auf dem sicheren Boot unsere Netze zu flicken, sondern wir müssen der Verheißung des Herrn vertrauen.

Ich denke hier zunächst an die Berufung zum christlichen Leben, die wir alle in der Taufe empfangen und die uns daran erinnert, dass unser Leben nicht ein Produkt des Zufalls ist, sondern das Geschenk, vom Herrn geliebte Kinder zu sein, die in der großen Familie der Kirche versammelt sind. Gerade dort, in der kirchlichen Gemeinschaft, wird die christliche Existenz geboren und entwickelt sie sich, vor allem dank der Liturgie, die uns hineinführt in das Hören des Wortes Gottes und in die Gnade der Sakramente; hier werden wir von klein auf in die Kunst des Gebetes eingeführt und angeleitet, brüderlich alles miteinander zu teilen. Eben weil sie uns zum neuen Leben gebiert und uns zu Christus führt, ist die Kirche unsere Mutter; deshalb müssen wir sie auch dann lieben, wenn wir auf ihrem Gesicht die Falten der Schwäche und der Sünde sehen, und wir müssen dazu beitragen, sie immer schöner und leuchtender zu machen, damit sie ein Zeugnis der Liebe Gottes in der Welt sein kann.

Das christliche Leben findet dann seinen Ausdruck in jenen Entscheidungen, die nicht nur unserem eigenen Weg eine klare Richtung geben, sondern zugleich auch zum Wachstum des Reiches Gottes in der Gesellschaft beitragen. Ich denke an die Entscheidung, in Christus die Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen, sowie an andere Berufungen in Bezug auf die Arbeits- und Berufswelt, auf das Engagement im Bereich der Nächstenliebe und Solidarität, auf die soziale und politische Verantwortung usw. Das sind Berufungen, die uns zu Trägern einer Verheißung von Güte, Liebe und Gerechtigkeit machen, nicht nur für uns selbst, sondern auch für unser soziales und kulturelles Umfeld, in dem wir leben und wo mutige Christen und authentische Zeugen des Reiches Gottes gefragt sind.

In der Begegnung mit dem Herrn wird der eine oder andere die Faszination einer Berufung zum geweihten Leben oder zum Priesteramt verspüren. Diese Entdeckung begeistert und erschreckt zugleich: Man fühlt sich berufen, „Menschenfischer“ im Boot der Kirche zu werden und zwar in der Ganzhingabe seiner selbst und in der Verpflichtung zum treuen Dienst am Evangelium und an den Brüdern und Schwestern. Diese Entscheidung beinhaltet das Wagnis, alles zurückzulassen, um dem Herrn zu folgen, und sich ganz ihm zu weihen, um an seinem Werk mitzuwirken. Viele innere Widerstände können eine solche Entscheidung behindern. Ebenso kann man auch in manchem sehr säkularisierten Umfeld, in dem es für Gott und das Evangelium keinen Raum mehr zu geben scheint, mutlos werden und in eine »Hoffnungsmüdigkeit« (Predigt in der Messe mit Priestern, Ordensleuten und Laienbewegungen, Panama, 26. Januar 2019) verfallen.

Und doch gibt es keine größere Freude, als sein Leben für den Herrn zu wagen! Besonders euch jungen Menschen möchte ich sagen: Seid nicht taub für den Ruf des Herrn! Wenn er euch auf diesen Weg ruft, dann zieht die Ruder nicht ins Boot zurück und vertraut euch ihm an. Lasst euch nicht von der Angst anstecken, die uns lähmt angesichts der hohen Gipfel, auf die der Herr uns einlädt. Denkt immer daran, dass der Herr denen, die ihre Netze und ihr Boot verlassen, um ihm zu folgen, die Freude eines neuen Lebens verheißt, die ihre Herzen erfüllt und ihren Weg beseelt.

Liebe Brüder und Schwestern, es ist nicht immer einfach, die eigene Berufung zu erkennen und sein Leben entsprechend auszurichten. Aus diesem Grund bedarf es eines immer neuen Engagements der ganzen Kirche – der Priester, Ordensleute, pastoralen Mitarbeiter und Erzieher –, damit insbesondere die Jugendlichen Gehör finden und einen Weg der Unterscheidung gehen können. Es bedarf einer Jugend- und Berufungspastoral, die vor allem durch das Gebet, die Betrachtung des Wortes Gottes, die eucharistische Anbetung und die geistliche Begleitung hilft, den Plan Gottes zu entdecken,

Wie wir während des Weltjugendtages in Panama immer wieder gesehen haben, müssen wir auf Maria schauen. Auch im Leben dieser jungen Frau war die Berufung zugleich eine Verheißung und ein Wagnis. Ihre Mission war nicht einfach, aber sie hat nicht zugelassen, dass die Angst die Oberhand gewinnt. Ihr „Ja“ »war das „Ja“ eines Menschen, der sich einbringen und Risiken eingehen will und alles auf eine Karte setzen will, mit keiner anderen Garantie als der Gewissheit, Trägerin einer Verheißung zu sein. Und ich frage einen jeden von euch: Fühlt ihr euch als Träger einer Verheißung? Welche Verheißung trage ich im Herzen, für die ich mich einsetzen muss? Maria würde zweifelsohne eine schwierige Mission haben, aber die Schwierigkeiten waren kein Grund, „Nein“ zu sagen. Es war klar, dass es Komplikationen geben würde, aber es wären nicht dieselben Komplikationen gewesen, die auftreten, wenn die Feigheit uns lähmt, weil nicht schon alles im Voraus geklärt oder abgesichert war« (Vigil mit den Jugendlichen, Panama, 26. Januar 2019).

An diesem Tag beten wir gemeinsam zum Herrn, dass er uns seinen Plan der Liebe für unser Leben entdecken lässt und uns den Mut gibt, den Weg zu wagen, den er uns von jeher zugedacht hat.

Aus dem Vatikan, am 31. Januar 2019, dem Gedenktag des heiligen Johannes Bosco

FRANZISKUS

 



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