APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH
SRI LANKA UND AUF DIE PHILIPPINEN
(12.-19. JANUAR 2015)
BEGEGNUNG MIT DEN VERTRETERN DES ÖFFENTLICHEN LEBENS UND MIT DEM DIPLOMATISCHEN CORPS
ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS
Malacañang Palace, Manila
Freitag, 16. Januar 2015
Meine Damen und Herren,
ich danke Ihnen, Herr Präsident, für den freundlichen Empfang und für Ihre Worte der Begrüßung im Namen der Vertreter des öffentlichen Lebens, des ganzen Volkes der Philippinen wie auch der ehrenwerten Mitglieder des Diplomatischen Corps. Für Ihre Einladung, die Philippinen zu besuchen, bin ich Ihnen sehr dankbar. Mein Besuch ist vor allem pastoraler Natur. Er findet zu der Zeit statt, da sich die Kirche in diesem Land auf die Fünfhundertjahrfeier der ersten Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi auf diesen Inseln vorbereitet. Die christliche Botschaft hat einen enormen Einfluss auf die philippinische Kultur ausgeübt. Ich hoffe, dass dieses wichtige Jubiläum auf ihre bleibende Fruchtbarkeit aufmerksam machen wird und auf ihr Potenzial, eine Gesellschaft zu inspirieren, die der Güte, der Würde und den Bestrebungen des philippinischen Volkes angemessen ist.
In besonderer Weise soll dieser Besuch meine Nähe zu unseren Brüdern und Schwestern zum Ausdruck bringen, die durch den Taifun Yolanda verursachtes Leid ertragen und Verlust und Zerstörung erlitten haben. Gemeinsam mit vielen Menschen auf der Welt habe ich die heroische Stärke, den Glauben und die Belastbarkeit so zahlreicher Philippiner angesichts dieser Naturkatastrophe – und so vieler anderer – bewundert. Diese Tugenden, die nicht zuletzt in der vom christlichen Glauben inspirierten Hoffnung und Solidarität wurzeln, führten zu einer Flut der Anteilnahme und Großzügigkeit, vor allem seitens sehr vieler junger Menschen. In dieser Zeit der nationalen Krise eilten unzählige Menschen ihren Nachbarn in Not zur Hilfe. Unter großen Opfern stellten sie ihre Zeit und ihre Mittel zur Verfügung, schafften Netzwerke gegenseitiger Hilfe und arbeiteten für das Gemeinwohl.
Dieses Beispiel von Solidarität beim Wiederaufbau ist für uns eine wichtige Lehre. Wie eine Familie schöpft jede Gesellschaft aus ihren tiefsten Quellen, um neue Herausforderungen zu meistern. Heute sehen sich die Philippinen, gemeinsam mit vielen anderen Ländern Asiens, vor die Herausforderung gestellt, auf einem soliden Fundament eine moderne Gesellschaft aufzubauen – eine Gesellschaft, die die authentischen menschlichen Werte respektiert, den Schutz unserer gottgegebenen Menschenwürde und -rechte gewährleistet und bereit ist, neue und komplexe politische und ethische Fragen anzugehen. Wie schon viele Stimmen in Ihrem Land betont haben, ist es jetzt mehr denn je notwendig, dass sich die politischen Verantwortungsträger auszeichnen durch Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit und Engagement für das Gemeinwohl. Auf diese Weise werden sie dazu beitragen, die reichen menschlichen und natürlichen Ressourcen zu bewahren, mit denen Gott dieses Land gesegnet hat. So werden sie in der Lage sein, die für die Herausforderungen der Gegenwart notwendigen moralischen Mittel bereitzustellen und den kommenden Generationen eine Gesellschaft zu übergeben, in der authentische Gerechtigkeit, Solidarität und echter Friede herrschen.
Wesentlich für die Verwirklichung dieser nationalen Ziele ist die moralische Verpflichtung, soziale Gerechtigkeit und Anerkennung der Menschenwürde zu gewährleisten. Die große biblische Tradition legt allen Völkern die Pflicht auf, die Stimme der Armen zu hören und die Fesseln des Unrechts und der Unterdrückung zu lösen, die zu krassen und in der Tat skandalösen sozialen Ungleichheiten führen. Die Reform der sozialen Strukturen, welche die Armut und die Ausgrenzung der Armen weiter aufrechterhalten, erfordert zunächst eine Bekehrung von Geist und Herz. Die Bischöfe der Philippinen haben darum gebeten, dieses Jahr als „Jahr der Armen“ zu begehen. Ich hoffe, dass dieser prophetische Appell jeden Einzelnen in allen gesellschaftlichen Schichten dazu auffordert, jede Form von Korruption, welche die Mittel von den Armen abzweigt, zurückzuweisen. Möge er auch dazu anregen, mit vereinten Kräften dafür zu sorgen, dass die Inklusion von jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind im Leben der Gemeinschaft gewährleistet ist.
Bei der Erneuerung der Gesellschaft spielen natürlich die Familie und besonders die jungen Menschen eine wesentliche Rolle. Ein Höhepunkt meines Besuchs werden meine Treffen mit Familien und mit jungen Menschen hier in Manila sein. Die Familie hat eine unerlässliche Aufgabe in der Gesellschaft. In der Familie nämlich werden die Kinder zu soliden Werten, hohen Idealen und echter Sorge für andere erzogen. Aber wie alle Gaben Gottes kann die Familie auch entstellt und zerstört werden. Sie braucht unsere Unterstützung. Wir wissen, wie schwierig es für unsere Demokratien heute ist, so grundlegende menschliche Werte zu bewahren und zu verteidigen wie die Achtung der unantastbaren Würde jedes Menschen, die Achtung der Gewissens- und der Religionsfreiheit sowie die Achtung des unveräußerlichen Rechts auf Leben, beginnend mit dem Leben der Ungeborenen und bis hin zum Leben der Alten und Kranken. Aus diesem Grund müssen Familien und lokale Gemeinschaften in ihren Anstrengungen ermutigt und unterstützt werden, unserer Jugend die Werte und die Perspektiven weiterzugeben, die helfen können, eine Kultur der Rechtschaffenheit aufzubauen – eine Kultur, in der Güte, Aufrichtigkeit, Treue und Solidarität hochgehalten werden als stabile Grundlage und moralisches Bindemittel, das die Gesellschaft zusammenhält.
Herr Präsident, verehrte Repräsentanten des öffentlichen Lebens, liebe Freunde,
zu Beginn meines Besuches in diesem Land kann ich die wichtige Rolle der Philippinen hinsichtlich der Förderung von Verständigung und Zusammenarbeit zwischen den Ländern Asiens nicht unerwähnt lassen. Ebenso möchte ich auf den häufig übersehenen, doch effektiven Beitrag hinweisen, den die Philippiner im Ausland zum Leben und Wohlstand der Gesellschaften leisten, in denen sie leben. Gerade angesichts des reichen kulturellen und religiösen Erbes, auf das Ihr Land stolz ist, möchte ich Ihnen einen Aufruf und ein Wort geistlicher Ermutigung mitgeben. Mögen die tiefsten spirituellen Werte des philippinischen Volkes weiterhin in Ihren Bemühungen Ausdruck finden, Ihren Mitbürgern eine ganzheitliche menschliche Entwicklung zukommen zu lassen. Auf diese Weise wird jeder Mensch in der Lage sein, die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen, und daher klug und dienlich zur Zukunft dieses Landes beitragen. Ich vertraue darauf, dass die lobenswerten Bemühungen, den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Anhängern der verschiedenen Religionen zu fördern, sich bei der Verfolgung dieses erhabenen Ziels als fruchtbar erweisen werden. Insbesondere bin ich zuversichtlich, dass der zur Wiederherstellung des Friedens im Süden des Landes erreichte Fortschritt gerechte Lösungen im Einklang mit den Grundprinzipien der Nation und in der Achtung der unveräußerlichen Rechte aller – einschließlich der eingeborenen Volksgruppen und der religiösen Minderheiten – hervorbringen wird.
Ihnen allen sowie allen Männern, Frauen und Kindern dieser geschätzten Nation erbitte ich von Herzen Gottes reichen Segen. Danke.
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