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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN KONGRESS DER KONGREGATION
FÜR DIE INSTITUTE GEWEIHTEN LEBENS
UND FÜR DIE GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN LEBENS

Audienzhalle
Freitag, 4. Mai 2018

[Multimedia]


Allen einen guten Tag!

Ich habe darüber nachgedacht, ob ich eine gut vorbereitete, schöne Ansprache halten soll… Aber dann kam mir in den Sinn, frei zu sprechen und die Dinge zu sagen, die in diesem Augenblick passend sind. Der Schlüssel zu dem, was ich sagen werde, ist das, worum der Kardinal [Präfekt der Kongregation] gebeten hat: echte Kriterien, um das, was heute geschieht, zu unterscheiden. Denn heute geschieht tatsächlich so Vieles, und um uns in dieser Welt, im Nebel der Weltlichkeit, der Provokationen, der Kriegslust – so viele Dinge sind es – nicht zu verirren, brauchen wir echte Kriterien, die uns leiten, die uns in der Unterscheidung leiten sollen.

Dann ist da noch etwas: dass dieser Heilige Geist eine Katastrophe ist [der Papst und die Anwesenden lachen], denn er wird nie müde, kreativ zu sein! Jetzt, mit den neuen Formen des geweihten Lebens, ist er wirklich kreativ, mit den Charismen… Das ist interessant: Er ist der Urheber von Verschiedenheit, aber zugleich ist er der Schöpfer von Einheit. Das ist der Heilige Geist. Und mit dieser Verschiedenheit der Charismen und vieler anderer Dinge bewirkt er die Einheit des Leibes Christi und auch die Einheit des geweihten Lebens. Auch das ist eine Herausforderung.

Ich habe mich gefragt: Was sind die Dinge, von denen der Heilige Geist will, dass sie im geweihten Leben stark bleiben? Und meine Gedanken sind geflogen, gegangen, gekreist… Aber immer kam mir die Erinnerung an den Tag in den Sinn, als ich nach San Giovanni Rotondo gegangen bin. Ich weiß nicht warum, aber dort habe ich viele gottgeweihte Männer und Frauen gesehen, die arbeiten… Ich habe daran gedacht, was ich dort gesagt habe, an die drei »P«, von denen ich dort gesprochen habe. Und ich habe mir gesagt: Das sind die Säulen, die bleiben, die im geweihten Leben von Dauer sind. Gebet, Armut und Geduld [auf ital. beginnen die drei Worte jeweils mit dem Buchstaben P: »preghiera, povertà e pazienza «]. Und ich habe beschlossen, darüber zu  euch zu sprechen: was für mich das Gebet im geweihten Leben ist, und dann über die Armut und die Geduld.

Gebet bedeutet, immer wieder zur ersten Berufung zurückzukehren. Das gilt für jede Art von Gebet, vielleicht ein Gebet in der Not, aber es ist immer ein Zurückkehren zu jener Person, die mich berufen hat. Das Gebet des Gottgeweihten oder der Gottgeweihten ist ein Zurückkehren zum Herrn, der mich eingeladen hat, ihm nahe zu sein. Zu ihm zurückkehren, der mir in die Augen geblickt und gesagt hat: »Komm! Verlass alles und komm!« – »Aber ich könnte die Hälfte zurücklassen… « (Darüber werden wir dann in Bezug auf die Armut sprechen) – »Nein, komm! Lass alles!

Komm!« Und wir denken an die Freude jenes Augenblicks, als wir das Viele oder Wenige, was wir hatten, zurückgelassen haben. Jeder weiß, was er zurückgelassen hat: die Mutter, den Vater, die Familie, eine Karriere zu verlassen… Es ist wahr, dass manche »drinnen« eine Karriere anstreben, und das ist nicht gut. In jenem Moment muss ich den Herrn finden, der mich berufen hat, und ihm aus der Nähe nachfolgen. Jedes Gebet bedeutet, dorthin zurückzukehren. Und das Gebet ist es, das bewirkt, dass ich für den Herrn arbeite, nicht für mein eigenes Interesse oder für die Institution, in der ich arbeite. Nein, für den Herrn! Es gibt ein häufig gebrauchtes Wort, es wurde allzu häufig gebraucht und hat etwas von seiner Kraft verloren, aber es bringt dies gut zum Ausdruck: Radikalität. Ich benutze es nicht gern, weil es zu häufig gebraucht wurde, aber das ist es: Ich verlasse alles für Dich. Es ist das Lächeln der ersten Schritte… Dann kamen die Probleme, viele Probleme, die wir alle hatten. Aber es geht immer darum, zur Begegnung mit dem Herrn zurückzukehren.

Im geweihten Leben ist das Gebet die Luft, die uns jene Berufung atmen, jene Berufung erneuern lässt. Ohne diese Luft können wir keine guten Gottgeweihten sein. Vielleicht werden wir gute Menschen, Christen, Katholiken sein, die in so vielen Werken der Kirche arbeiten, aber die Weihe musst du beständig dort erneuern: im  Gebet, in einer Begegnung mit dem Herrn. »Aber ich bin vollauf beschäftigt, ich habe so viel zu tun…« Das ist wichtiger: Geh zum Gebet! Und dann gibt es jenes Gebet, das uns im Laufe des Tages in der Gegenwart des Herrn bleiben lässt. Aber immer das Gebet. »Aber ich habe eine zu riskante Arbeit, die meinen ganzen Tag ausfüllt… « Denken wir an eine Gottgeweihte unserer Tage: Mutter Teresa. Mutter Teresa ging auch hin, um »sich in die Nesseln zu setzen«, denn sie war wie ein Maschine, um sich die Probleme zu suchen, denn sie stellte sich dahin, dorthin…

Aber die zwei Stunden Gebet vor dem Allerheiligsten nahm ihr niemand. »Ah, die große Mutter Teresa!« Aber tue, was sie tat, das ist dasselbe. Suche deinen Herrn, der dich berufen hat. Das Gebet. Nicht nur am Morgen… Jeder muss herausfinden, wie, wo und wann er es hält. Aber es immer tun: beten. Man kann das geweihte Leben nicht leben, man kann nicht unterscheiden, was geschieht, ohne mit dem Herrn zu sprechen. Ich möchte jetzt nicht mehr dazu sagen, aber ihr habt gut verstanden, glaube ich. Gebet. Die Kirche braucht Männer und Frauen, die in diesem Augenblick so großen Leids in der Menschheit beten.

Das zweite P steht für »povertà« [Armut]. In den Konstitutionen für uns Jesuiten hat der heilige Ignatius Folgendes geschrieben, aber ich glaube, es war nicht etwas Eigenes, Originelles von ihm, er hat es vielleicht aus den Wüstenvätern übernommen: »Die Armut ist die Mutter, sie ist die Stützmauer des geweihten Lebens.« Sie ist »Mutter«. Das ist interessant. Er sagt nicht die Keuschheit, die vielleicht mehr mit der Mutterschaft, der Vaterschaft verbunden ist. Nein: Die Armut ist Mutter. Ohne Armut gibt es keine

Fruchtbarkeit im geweihten Leben. Und sie ist »Mauer«, sie verteidigt dich. Sie verteidigt dich gegen den Geist der Weltlichkeit, das ist sicher. Wir alle wissen, dass der Teufel durch die Taschen kommt. Wir alle wissen das. Und die kleinen Versuchungen gegen die Armut sind dem Leib des geweihten Lebens zugefügte Wunden. Armut gemäß den Regeln den Konstitutionen jeder Kongregation: Die Armut der einen oder der anderen Kongregation ist nicht dasselbe. Die Regeln sagen: »Unsere Armut geht in diese Richtung, unsere in jene«, aber immer ist der Geist der Armut vorhanden. Und das ist nicht verhandelbar. Ohne Armut werden wir niemals gut unterscheiden können, was in der Welt geschieht. Ohne den Geist der Armut. »Lass alles, gib es den Armen«, hat der Herr zu jenem Jüngling gesagt. Und dieser Jüngling sind wir alle. »Aber ich nicht, Pater, ich  habe nicht so viel Reichtum…« – Ja aber irgendetwas hast du, an irgendetwas hängst du! Der Herr bittet dich genau darum: Das wird »Isaak« sein, den du opfern musst. Blöße der Seele, arm. Und mit diesem Geist der Armut verteidigt uns der Herr – er verteidigt uns! – gegen viele Probleme und andere Dinge, die das geweihte Leben zerstören wollen.

Es gibt drei Stufen beim Übergang von der religiösen Weihe zur religiösen Weltlichkeit. Ja, auch die religiöse Weltlichkeit. Es gibt eine religiöse Weltlichkeit. Viele Ordensleute und Gottgeweihte sind weltlich. Drei Stufen. Die erste: das Geld, das heißt fehlende Armut. Die zweite: Eitelkeit, die von dem Extrem, wie ein »Pfau« herumzustolzieren, bis zu kleinen Eitelkeiten reicht. Und drittens: der Hochmut, der Stolz. Und von da an alle Laster. Aber die erste Stufe ist die Anhänglichkeit an den Reichtum, das Kleben am Geld. Wenn man darüber wacht, kommen die anderen nicht. Und ich sage Reichtum, nicht nur Geld. Am Reichtum. Um zu unterscheiden, was heute geschieht, ist dieser Geist der Armut notwendig.

Eine Hausaufgabe wäre: Wie steht es um meine Armut? Schaut in den Schubladen nach, in den  Schubladen eurer Seele. Schaut in die Persönlichkeit, schaut in der Kongregation nach… Schaut, wie es um die Armut bestellt ist. Das ist die erste Stufe: Wenn wir uns davor hüten, dann kommen die anderen nicht. Sie ist die Mauer, die uns gegen die anderen verteidigt. Sie ist Mutter, die uns mehr zu Ordensleuten werden und uns unsren ganzen Reichtum in den Herrn setzen lässt. Sie ist die Mauer, die uns gegen jene weltliche Entwicklung verteidigt, die jeder Weihe so sehr schadet. Die Armut.

Und drittens die Geduld. »Aber, Pater, was hat die Geduld damit zu tun?« Die Geduld ist wichtig. Normalerweise sprechen wir nicht über sie, aber sie ist sehr wichtig. Wenn wir auf Jesus blicken, dann ist es die Geduld, die er hatte, um bis an das Ende seines Lebens zu gehen. Als Jesus nach dem Letzten Abendmahl in den Ölgarten geht, ist das der Moment, von dem wir sagen können, dass er in besonderer Weise »in die Geduld eintritt «. »In die Geduld eintreten«: Das ist eine Haltung jeder Weihe, die bei den kleinen Dingen des Gemeinschaftslebens oder des Lebens der Weihe beginnt, die jeder hat in dieser Verschiedenheit, die der Heilige Geist bewirkt… Von den kleinen Dingen, den kleinen Duldsamkeiten und Rücksichten, den kleinen Gesten des Lächelns, wenn ich Lust hätte, ein paar Schimpfworte zu sagen… bis hin zur Selbsthingabe, zur Hingabe des Lebens. Geduld. Dieses »auf den Schultern tragen« (hypomoné) des heiligen Paulus. Der heilige Paulus sprach vom »auf den Schultern tragen« als christlicher Tugend. Geduld. Ohne Geduld, das heißt ohne die Fähigkeit zu leiden, ohne »in die Geduld einzutreten«, kann ein geweihtes Leben sich nicht halten, es wird nur zur Hälfte sein.

Ohne Geduld zum Beispiel werden die »Kriege« innerhalb einer Kongregation verständlich. Man versteht das: weil sie nicht die Geduld hatten, einander zu ertragen. So gewinnt der stärkere Teil, nicht immer der bessere. Und auch der besiegte Teil ist nicht der bessere, weil er ungeduldig ist. Ohne Geduld werden dieser Karrierismus in den Generalkapiteln, diese »Seilschaften« vorher verständlich… um zwei Beispiele zu nennen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viele Probleme, interne Kriege, Streitigkeiten bei Erzbischof Carballo [Sekretär der Kongregation] ankommen! Aber er ist aus Galicien, er kann das alles aushalten! Geduld. Einander ertragen. Aber nicht nur Geduld im Gemeinschaftsleben: Geduld angesichts der Leiden in der Welt. Die Probleme, die Leiden der Welt auf den Schultern tragen. »In die Geduld eintreten«, wie Jesus in die Geduld eingetreten ist, um die Erlösung zu vollbringen. Das ist ein Schlüsselpunkt nicht nur, um diese internen Kämpfe zu vermeiden, die ein Skandal sind, sondern auch um geweiht zu sein, um unterscheiden zu können. Die Geduld. Und auch Geduld angesichts der dem geweihten Leben eigenen Probleme. Denken wir an den Berufungsmangel. »Wir wissen nicht, was wir tun sollen, weil wir keine Berufungen haben…

Wir haben drei Häuser geschlossen…« Das sind die alltäglichen Klagen. Ihr habt das gehört, ihr habt es mit den Ohren und im Herzen gehört. Es kommen keine Berufungen. Und wenn diese Geduld nicht vorhanden ist… Was ich jetzt sage, ist passiert, es geschieht: Ich kenne mindestens zwei Fälle in einem allzu säkularisierten Land, die zwei Kongregationen und ihre beiden jeweiligen Provinzen betreffen. Die Provinz hat jenen Weg eingeschlagen, der ebenso ein weltlicher Weg ist, den Weg der »ars bene moriendi«, die Haltung, um gut zu sterben. Und was bedeutet das in jener Provinz, in den beiden Provinzen von zwei verschiedenen Kongregationen? Die Zulassung zum Noviziat schließen, und wir, die wir hier sind, altern bis zum Tod. An jenem Ort ist es mit der Kongregation zu Ende. Und das sind keine Märchen: Ich spreche von zwei Provinzen von Männerorden, die diese Entscheidung getroffen haben, Provinzen zweier Ordenskongregationen. Es fehlt die Geduld und wir enden mit der »ars bene moriendi«. Es fehlt an Geduld und es kommen keine Berufungen? Wir verkaufen und klammern uns an das Geld für irgendetwas, was in der Zukunft passieren könnte. Das ist ein Signal, ein Signal, dass man dem Tod nahe ist: Wenn eine Kongregation beginnt, sich an das Geld zu klammern. Sie hat keine Geduld und fällt in Bezug auf das zweite »P«: Mangel an Armut.

Ich kann mich fragen: Ist das in jenen beiden Provinzen geschehen, die die Option der »ars bene moriendi« gewählt haben? Geschieht es in meinem Herzen? Ist meine Geduld zu Ende und gehe ich weiter, gerade so überlebend? Ohne Geduld kann man nicht großherzig sein, kann man dem Herrn nicht folgen. Wir werden müde. Wir folgen ihm bis zu einem gewissen Punkt, und bei der ersten oder der zweiten Prüfung: Tschüss! Ich wähle die »ars bene moriendi«. Mein geweihtes Leben ist bis hierhin gekommen, hier verschließe ich das Herz und überlebe nur. Man ist im Stand der Gnade, ja sicher. »Pater, werde ich nicht in die Hölle kommen?« Nein, vielleicht nicht. Aber dein Leben? Du hast auf die Möglichkeit, Familienvater oder -mutter zu werden, verzichtet, auf die Freude, Kinder, Enkel zu haben, all das, um so zu enden? Diese »ars bene moriendi« ist die geistliche Euthanasie eines geweihten Herzens, das nicht mehr kann, das nicht den Mut hat, dem Herrn zu folgen. Und das nicht ruft…

Als Ausgangspunkt, um darüber zu sprechen, habe ich den Mangel an Berufungen genommen: das verbittert die Seele. »Ich habe keine Nachkommenschaft«, lautete die Klage unseres Vaters Abraham: »Herr, ein Fremder wird meinen Reichtum erben.« Und der Herr hat ihm gesagt: »Hab Geduld! Du wirst einen Sohn haben.« – »Aber mit 90 Jahren?« Und die Frau hinter dem Fenster war – Entschuldigt bitte! – wie die Frauen so sind: Sie beobachtete heimlich aus dem Fenster… Aber das ist eine Gabe der Frauen, das ist gut, das ist nicht schlecht… Sie lächelte, weil sie dachte: »Aber ich mit 90 Jahren? Und mein Mann mit fast 100 werden einen Sohn haben?« »Geduld «, hat der Herr gesagt. Hoffnung. Voran, voran, voran. Passt auf bei diesen drei »P«: Gebet, Armut und Geduld. Passt auf. Und ich denke, dem Herrn werden – ich erlaube mir das Wort zu benutzen, das ich nicht mag – radikale Entscheidungen in diesem Sinne gefallen. Mögen sie nun persönliche oder gemeinschaftliche Entscheidungen sein. Aber darauf setzen.

Ich danke euch für die Geduld, die ihr hattet, um diesen »Sermon« anzuhören [Lachen, Applaus]. Ich danke euch. Und ich wünsche euch Fruchtbarkeit. Man weiß nie, welche Wege meine Fruchtbarkeit nimmt. Aber wenn du betest, wenn du arm bist, wenn du geduldig bist, dann sei sicher, dass du fruchtbar sein wirst. Wie? Der Herr wird es dir »im Jenseits« zeigen; aber das ist das Rezept, um fruchtbar zu sein. Du wirst Vater sein, du wirst Mutter sein: die Fruchtbarkeit.

Das ist es, was ich dem Ordensleben wünsche: fruchtbar zu sein. Danke! Studiert weiter, arbeitet weiter, macht weiter gute Vorsätze, aber sie sollen immer mit jenem Blick geschehen, den Jesus will. Und wenn ihr an das erste »P« denkt, dann denkt an mich und betet für mich. Danke! Jetzt beten wir zur Muttergottes: Ave Maria… [Der Papst erteilte den Segen.] Einen schönen Tag!

  



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