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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MARISTENBRÜDER AUS ANLASS
IHRER GENERALKONFERENZ 

Konsistoriensaal
Donnerstag, 24. März 2022

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Liebe Brüder, guten Tag und herzlich willkommen!

Ich danke dem Generalsuperior für seine Worte und grüße euch alle, die ihr an der Generalkonferenz eures Instituts teilnehmt, einem sehr wichtigen Termin, zu dem ihr alle acht Jahre zwischen zwei Generalkapiteln einberufen werdet.

Es handelt sich also um einen Augenblick tiefer Reflexion, des Lesens der Zeichen der Zeit, wie auch der Überprüfung, wie die Reise verläuft und wie die Vorgaben des vorigen Kapitels rezipiert werden. Aber nicht mit einem Blick zurück, sondern immer mit dem Blick nach vorn! Wie jemand, der am Steuerruder eines Bootes steht: Um zu sehen, ob der richtige Kurs eingeschlagen wurde, schaut er nicht auf das Kielwasser hinter ihm, sondern er schaut nach vorn, wobei er zwei oder drei Orientierungspunkte im Auge behält, die ihm die Richtung vorgeben. Ich stelle mir vor, dass auch ihr den Weg anhand einiger Fixpunkte überprüft habt. Und der erste Fixpunkt ist das Wort Gottes. Wir sind in der Fastenzeit, und Mutter Kirche ruft uns auf, die Dinge in der richtigen Reihenfolge zu ordnen: an erster Stelle Gott und sein Wort. Das ist leicht gesagt, aber nicht leicht getan! Vor allem, wenn das Wort uns auffordert, »weiter hinauszuschauen«, »Looking beyond«, wie das Thema eurer Konferenz lautet. Über was hinaus? Über die weltliche Mentalität, über kurzfristige Interessen, über eine partielle Sichtweise hinaus, um sich dem Horizont einer universellen Geschwisterlichkeit öffnen zu können. Aber stets weiter hinaus.

Mir scheint, dass ihr für eure Arbeit in diesen Tagen genau diese Perspektive gewählt habt, um einer Familie - jener der Maristenbrüder - bestmöglich zu dienen, die multikulturell und multiethnisch ist und die euch daher auffordert, die Grenzen zu überwinden, weniger jene geographischer Art als vielmehr die geistigen Grenzen. Das heißt nicht, dass man sich von seinen Wurzeln löst, ganz und gar nicht! Es gibt keinen Gegensatz zwischen Treue zu den Wurzeln und universeller Offenheit, es ist Kontinuität, es ist normales Wachstum. Vielmehr wird, nach dem Vorbild des Herrn Christus, unser Dienst gerade dadurch für alle fruchtbar, dass wir dank der Kraft der Gnade Gottes dem Pakt der Liebe mit den uns anvertrauten Menschen treu bleiben. Das ist die Fruchtbarkeit, die uns mit Stärke nach vorne blicken lässt.

Für die Maristenbrüder heißt das, dem Dienst der Erziehung und der Evangelisierung der Jugendlichen gemäß dem Charisma des heiligen Marcellin Champagnat treu zu bleiben. Er verstand es, »weiter hinaus zu schauen«, und er verstand es, die jungen Menschen zu lehren, »weiter hinaus zu schauen«, sich für Gott zu öffnen, für die Horizonte der Liebe nach dem Evangelium. Er ließ sich vom Beispiel der Jungfrau Maria leiten, der »guten Mutter«, wie er es formulierte: Maria war eine kleine Frau aus einem Dorf der Peripherie, aber ihr Herz blickte weiter, sie hatte den Horizont des Reiches Gottes, sie war offen. Und das drückt sich im Magnificat aus, wo Gottes Heilsplan durch die Stimme seiner demütigen Dienerin erklingt. Was gibt es Schöneres, was gibt es Wirksameres als das Magnificat, um ein Mädchen oder einen Jungen dazu zu erziehen, sich gegenüber Gott und seinem Plan der Liebe zu öffnen? Das Magnificat enthält eine Vision des Lebens und der Geschichte; es ist eine Schule des Glaubens und des Gebets, die die dich von Selbstverschlossenheit und von jedweder Art von Spiritualismus befreit und dir die Freude zeigt, dem Evangelium Christi gemäß zu glauben, zu hoffen und zu lieben.

All das, liebe Brüder, gehört zu euren Wurzeln und zu eurem Erbe, und es muss immer mit der sich wandelnden Realität, mit den Merkmalen der neuen Generationen kombiniert werden. So zeigen zum Beispiel die jungen Menschen Sensibilität und Interesse für den Umweltschutz. Hier ist ein weites Feld für die Erziehung, denn leider verschmutzt - erlauben Sie mir das Wortspiel - die moderne Mentalität auch den Umweltschutz, reduziert ihn, macht ihn ideologisch und oberflächlich. Der Horizont Gottes hingegen ist jener einer integralen Ökologie, die immer die ökologische und die soziale Dimension, den Schrei der Erde und den Schrei der Armen zusammenhält. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind prädisponiert, Hüter der Schöpfung zu werden, aber sie müssen lernen, dass dies nicht nur ein Slogan, nicht nur ein Anprangern ist, es ist eine Lebensweise, es erfordert Geduld, Stärke, Mäßigung, Gerechtigkeit. Kurzum, man wird nicht als Hüter der Schöpfung geboren, sondern man wird es dank eines Wegs der Erziehung.

Auch das gehört zu euch. Und das Beispiel, das ich zur Ökologie angeführt habe, lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen, etwa auf das soziale und politische Engagement, auf den Bereich der Kommunikation oder noch vorher auf jenen des Studiums und der Arbeit, wenn man es aus der Perspektive der ganzheitlichen Förderung des Menschen betrachtet. Vor allem aber gehört zu euch in eurer Eigenschaft als Ordensleute die geistliche Erziehung, die die Grundlage des ganzheitlichen Wachstums ist. Das gehört zu euch als Ordensleuten: die geistliche Erziehung. Jesus Christus ist der Meister des Lebens und der Wahrheit, der Weg, der gegangen werden muss, um in voller Fülle Männer und Frauen zu werden, und der Heilige Geist ist der innere Lehrer, der Christus in uns formt. Was für eine Berufung, was für eine Mission, Brüder, mit Christus und dem Heiligen Geist zusammenzuarbeiten, um die Jugendlichen bei diesem Abenteuer zu begleiten! Sie ist wirklich zu groß für uns arme Sünder. Aber Gott – so erinnert uns unsere Mutter – liebt es, große Dinge mit den Kleinen und den Armen zu tun, solange sie sich nur demütig für ihn öffnen, sein Wort annehmen und sich ihm ganz zur Verfügung stellen.

Das ist es, was ich euch und all euren über die ganze Welt verteilten Brüdern wünsche. Weiter hinausschauen, um dazu zu erziehen, weiter hinauszuschauen, mit Maria, auf den Spuren des Herrn Jesus. Und gerade das ist der heftigste Vorwurf gegen die aufklärerische Auffassung von Bildung, d.h. das Kopieren von Ideen, Ideen, Ideen... Nein. Dazu erziehen, darüber hinauszuschauen, um beizubringen, wie man weiter hinausschaut. Das zerstört die ganze statische und aufklärerische, ideologische Auffassung von Erziehung. Die Erziehung ist eine Herausforderung, die an den ganzen Menschen gerichtet ist: an sein Denken, sein Fühlen und sein Handeln. Aber dies muss darüber hinausschauen.

Der Heilige Geist erleuchte euch und tröste euch immer auf eurem Weg und in eurem Dienst. Und auch mein Segen möge euch begleiten. Und bitte, vergesst auch ihr nicht, für mich zu beten, denn diese Arbeit ist nicht leicht.



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