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    JOHANNES PAUL II. 

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 18. Juni 2003

 

Lesung: Jesaja 61,10; 62,4–5

10 Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.
4 Nicht länger nennt man dich »Die Verlassene « und dein Land nicht mehr »Das Ödland«, sondern man nennt dich »Meine Wonne« und dein Land »Die Vermählte«. Denn der Herr hat an dir seine Freude, und dein Land wird mit ihm vermählt.
5 Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Das soeben erklungene schöne Canticum, das die Liturgie der Laudes uns vorstellt, hat wie ein »Magnificat« begonnen: »Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott« (Jes 61,10). Der Text ist in den dritten Teil des Buches des Propheten Jesaja eingefügt, in einen Abschnitt, den die Gelehrten einer späteren Zeit zuschreiben, als das Volk Israel nach seiner Rückkehr aus dem babylonischen Exil (6. Jahrhundert v. Chr.) im Land seiner Väter wieder als freies Volk zu leben beginnt und Jerusalem und den Tempel wieder aufbaut. Die Heilige Stadt steht nicht ohne Grund im Mittelpunkt des Canticum, wie wir noch genauer sehen werden, und der sich eröffnende Ausblick ist hell und voller Hoffnung.

2. Der Prophet beginnt sein Lied, indem er das wiedergeborene Volk als ein festlich gekleidetes Brautpaar darstellt, das sich für den großen Tag der Hochzeit bereitet (vgl. V. 10). Gleich danach wird auf ein anderes Symbol des Lebens, der Freude und des Neuen verwiesen, nämlich das aus dem Bereich der Pflanzenwelt stammende Symbol der Saat (vgl. V. 11).

Die Propheten bedienen sich des Vergleichs mit der aufkeimenden Saat in verschiedener Form, um den messianischen König darzustellen (vgl. Jes 11,1; 53,2; Jer 23,5; Zacch 3,8; 6,12). Der Messias ist ein fruchtbarer Keim, der die Welt erneuert, und der Prophet erklärt die tiefe Bedeutung dieser Lebenskraft: »Gott, der Herr, bringt Gerechtigkeit hervor« (Jes 61,11), deshalb wird die Heilige Stadt gleichsam zum Garten der Gerechtigkeit, das heißt der Treue und Wahrheit, des Rechtes und Heiles werden. Der Prophet hat es vorhergesagt: »Deine Mauern nennst du Rettung und deine Tore Ruhm« (Jes 60,18).

3. Der Prophet erhebt weiter seine Stimme. Sein Gesang ist unermüdlich und soll die Wiedergeburt Jerusalems anzeigen, dem sich eine neue Ära eröffnet (vgl. Jes 62,1). Die Stadt wird als eine Braut beschrieben, die sich anschickt, ihre Hochzeit zu feiern.

Die bräutliche Symbolik, die in diesem Abschnitt deutlich aufscheint (vgl. V. 4–5), ist in der Bibel eines der eindringlichsten Bilder, um das Band der Vertrautheit und den Liebesbund hervorzuheben, die zwischen dem Herrn und dem auserwählten Volk bestehen. Seine Schönheit, die im »Heil«, in der »Gerechtigkeit « und in der »Herrlichkeit« gründet (vgl. V. 1–2), wird so groß sein, daß sie zu einer »prächtigen Krone in der Hand des Herrn« wird (vgl. V. 3).

Der entscheidende Moment wird die Namensänderung sein, wie es auch in unserer Zeit geschieht, wenn die junge Frau heiratet. Einen »neuen Namen« annehmen (vgl. V. 2) bedeutet gleichsam, eine neue Identität zu bekommen, eine Mission zu unternehmen, entschlossen zu sein, das Leben zu ändern (vgl. Gen 32,25–33).

4. Der neue Name, den die Braut Jerusalem annehmen wird, die das ganze Volk Gottes vertreten soll, kommt durch den Kontrast zum Ausdruck, den der Prophet herstellt: »Nicht länger nennt man dich ›Die Verlassene‹ und dein Land nicht mehr ›Das Ödland‹, sondern man nennt dich ›Meine Wonne‹ und dein Land ›Die Vermählte‹ (Jes 62,4). Anstelle der Namen, die die vorhergegangene Situation der Verlassenheit und Trostlosigkeit anzeigten, das heißt die Verwüstung der Stadt durch die Babylonier und das Drama des Exils, werden jetzt Worte für die Wiedergeburt verwendet, die Liebe und Zärtlichkeit, Freude und Glück beinhalten.

An dieser Stelle richtet sich die ganze Aufmerksamkeit auf den Bräutigam. Und nun die große Überraschung: Der Herr selbst gibt Zion den neuen bräutlichen Namen. Die abschließende Erklärung ist besonders schön, weil sie den Leitfaden des Liebesliedes zusammenfaßt, das vom Volk angestimmt wird: »Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich« (V. 5).

5. Das Lied preist nicht mehr die Hochzeit zwischen einem König und einer Königin, sondern feiert die tiefe Liebe, die Gott und Jerusalem für immer verbindet. In seiner irdischen Braut, die das heilige Volk ist, findet der Herr dasselbe Glück, das ein Ehemann mit seiner geliebten Ehefrau erfährt. An die Stelle des fernen und transzendenten Gottes, des gerechten Richters, tritt jetzt der nahestehende und liebende Gott. Diese bräutliche Symbolik überträgt sich auf das Neue Testament (vgl. Eph 5,21–32) und wird von den Kirchenvätern aufgegriffen und entfaltet. Der hl. Ambrosius erinnert zum Beispiel daran, daß in dieser Sicht »Christus der Ehemann, die Kirche die Ehefrau, die Braut durch die Liebe und die Jungfrau durch die unberührte Reinheit ist« (Esposizione del Vangelo secondo Luca: Opere esegetiche XII, Milano–Roma 1978, S. 289).

Ambrosius schreibt in einem anderem Werk: »Die Kirche ist schön. Darum sagt das Wort Gottes zu ihr: ›Alles an dir ist schön, meine Freundin; kein Makel haftet dir an‹ (Hld 4,7), denn die Sünde ist ausgelöscht … Angeregt von der Sehnsucht einer so großen Liebe, von ihrem herrlichen Gewand und ihrer Anmut, denn an denen, die gereinigt wurden, ist kein Makel einer Sünde, sagt der Herr Jesus zur Kirche: ›Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel an deinen Arm‹ (Hld 8,6), das heißt: Du bist geschmückt, meine Seele, ganz schön bist du, kein Makel ist an dir! Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, denn dafür glänzt dein Glaube in der Fülle des Sakraments. Auch deine Werke glänzen und zeigen das Bild Gottes, als dessen Abbild du geschaffen bist« (I misteri, Nr. 49.41: Opere dogmatiche, III, Milano–Roma 1982, Ss. 156–157).

Zum Abschluß der Audienz sagte der Papst:

Am kommenden Sonntag werde ich nach Bosnien und Herzegowina reisen, um jene katholische Gemeinschaft im Glauben zu stärken, die einen wichtigen Weg der Versöhnung und Eintracht durchläuft. Ich bitte euch, mich bei dieser meiner Apostolischen Reise, die ich der mütterlichen Sorge der heiligsten Jungfrau anvertraue, mit euren Gebeten zu begleiten.


Gott verläßt die Seinen nicht. Diese Gewißheit bewegt den Propheten Jesaja zu einem hochzeitlichen Lied: Wie eine Braut darf Jerusalem den Bund mit Jahwe feiern.

Der Herr liebt seine heilige Kirche. Als Gottesvolk des Neuen Bundes dürfen wir uns voll Freude die Worte des Propheten zu eigen machen: „Wie ein Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich" (Jes 62, 5).

***

Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern willkommen. Gott schenkt uns seine Nähe. Seine bleibende Gegenwart in der Kirche ist für uns Grund der Freude und des Trostes. Laßt euch in der Treue zum Wort Gottes von niemandem übertreffen! Sein Heiliger Geist führe euch zu jeder Zeit!

 



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