ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER DER
ISLAMISCHEN REPUBLIK PAKISTAN*
Donnerstag, 15. Mai 2003
Exzellenz!
Mit Freude begrüße ich Sie im Vatikan zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Islamischen Republik Pakistan beim Heiligen Stuhl ernannt worden sind. Ich danke Ihnen für die herzlichen Grüße, die Sie im Namen des Präsidenten, der Regierung und der pakistanischen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht haben. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, daß sich die bereits zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl bestehende Freundschaft vertiefen und durch weitere Zeichen gegenseitigen Vertrauens und Respekts auszeichnen wird. Bitte versichern Sie Präsident Musharraf und die Bevölkerung Ihrer Nation meines Gebets für den Frieden und das Wohl des Landes.
Ich danke Ihnen für Ihre anerkennenden Worte hinsichtlich der unablässigen Bemühungen der Kirche zur Förderung des Friedens und zur Minderung der Konflikte in unserer sorgenvollen Welt. Zweifellos teilt der Heilige Stuhl den Wunsch Pakistans, feste Grundlagen für den Frieden auf bleibenden moralischen Prinzipien zu schaffen, die ihren Ursprung in der gottgegebenen grundlegenden Menschenwürde finden. Die Aktivität des Heiligen Stuhls im internationalen Forum gründet auf dieser besonderen Sicht der menschlichen Person und auf der Überzeugung, daß das Fundament der menschlichen Gesellschaft gefährdet ist, wenn diese Sicht untergraben oder vernachlässigt wird. Es ist eine Sicht, die zur Förderung des Friedens unter Gewährleistung der menschlichen Grundrechte aufruft, von denen der vorbehaltlose Zugang zum Arbeitsmarkt, die volle Teilhabe am demokratischen Leben des Staates und die tatsächliche Religionsfreiheit und Praxis wirklich nicht die unwichtigsten sind. Jedes dieser Rechte bestätigt die Gleichheit aller Bürger.
Die jüngsten Kriege in Afghanistan und im Irak haben Pakistan zu noch nie dagewesener Aufmerksamkeit in den internationalen Medien verholfen. Angesichts dieser menschlichen Tragödien hat Ihre Nation Gelegenheit – ja die Pflicht –, weitgehend zu jenem Frieden beizutragen, nach dem sich die Menschheitsfamilie sehnt. Die jüngsten Bemühungen Ihrer Regierung, das von fundamentalistischen Terroristen verübte Böse auszurotten, sind mit Recht in aller Welt begrüßt worden. Auch geben die gegenwärtigen mutigen Gesten und Vorschläge Pakistans zur Wiederbelebung der Friedensgespräche mit Indien neue Hoffnung für eine Annäherung und für die Reduzierung der großen Summen, die zur Aufrechterhaltung einer starken militärischen Präsenz in der Kaschmirregion aufgebracht werden müssen. Solche Initiativen bringen nicht nur Ihrer eigenen Bevölkerung Erleichterung, sondern auch der internationalen Gemeinschaft als Ganzes gesehen. Diese Maßnahmen werden als positive Schritte für den Aufbau einer Zivilisation der Liebe betrachtet, in der alle Völker in Sicherheit und Frieden leben.
Außer der verantwortungsvollen und bereitwilligen Beteiligung an den Abkommen und Vereinbarungen zur Förderung besserer internationaler Beziehungen erfordert eine wahre Entwicklung auch die Einhaltung eines Plans für den wirklichen nationalen Fortschritt. Streben nach Verbesserung des bürgerlichen Lebens Ein solches Programm sollte stets die Rechte und legitimen Bestrebungen der Menschen, einschließlich die der Minderheiten, achten. Auch verlangt es Transparenz seitens der Regierung und ein unparteiisches Rechtssystem. Ohne diese Grundlagen der zivilisierten Gesellschaft wird die Hoffnung auf Fortschritt, nach dem jeder Mensch strebt, zerstört werden. Aus diesem Grund habe ich bei vielen Gelegenheiten darauf hingewiesen, daß Korruption seitens der Politiker, der Justiz- oder Verwaltungsbeamten sowie der Bürokraten (vgl. Ecclesia in Asia, 8) eine Plage ist, die die unantastbare Würde jeder menschlichen Person verletzt und die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung einer Nation lähmt.
Exzellenz, gern würdige ich die beachtlichen politischen Reformen, die in jüngster Zeit in Pakistan zur Verbesserung des bürgerlichen Lebens durchgeführt worden sind. Die Aufhebung des getrennten Wahlsystems und die Beibehaltung der reservierten Sitzverteilung hat viel dazu beigetragen, das Vertrauen aller Pakistaner – nicht nur das ethnischer und religiöser Minderheiten – in das provinzielle und nationale Wahlsystem wiederherzustellen. Dieser Schritt wurde unter anderem auch von den katholischen Bischöfen Ihres Landes öffentlich gelobt. Dennoch muß auch darauf hingewiesen werden, daß beklagenswerte Umstände, die vor allem unter der christlichen Minderheit Ihres Landes spürbar sind, das allgemeine Wohlergehen der Nation beeinträchtigen. Die großen durch die Blasphemiegesetze hervorgerufenen Schwierigkeiten und die gegen Christen und ihre Güter gerichtete Gewalttätigkeit und Zerstörungswut sind weitgehend dokumentiert worden. Aber ungelöst sind auch Fragen wie der ungleiche Zugang zu Arbeitsplätzen und die unterschiedliche Behandlung von Minoritäten in öffentlichen Institutionen, seien es Schüler in Schulen oder Personen vor Gericht. Die konstitutionelle Gewährleistung bürgerlicher und religiöser Rechte muß in der Beschäftigungsund Dienstleistungspolitik der Regierung zum Ausdruck kommen und ein Beispiel sein für andere Sektoren des öffentlichen Lebens. Ohne die konkrete Anwendung anerkannter grundlegender Menschenrechte wird die Entwicklung jeder Gesellschaft beeinträchtigt.
In ihrem Dienst an der Menschheitsfamilie ist die katholische Kirche bereit, ausnahmslos allen Mitgliedern der pakistanischen Gesellschaft entgegenzukommen und mit ihnen eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, der jene Werte zugrunde liegen, die alle nach Frieden, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit strebenden Völker teilen. Mit dem größeren Einsatz der Missionare im kirchlichen Leben könnten die Schulen und Gesundheitseinrichtungen in größerem Maß zu den nationalen Programmen für menschliche Entwicklung beitragen. Zweifellos wird die Kirche ihre Arbeit für den wahren Fortschritt der pakistanischen Gesellschaft fortsetzen, insbesondere durch die Unterstützung der Armen und die Linderung der Leiden.
Exzellenz, Sie beginnen ihre Mission in einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft voll Zuversicht und Hoffnung auf Pakistan schaut in Erwartung der Fortschritte zur friedlichen Entwicklung sowohl im nationalen wie internationalen Bereich. Ich versichere Sie der Unterstützung des Heiligen Stuhls in allem, was dem Gemeinwohl der Menschheit zugute kommt. Die verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie sind bereit, Sie bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zu unterstützen, und ich bin sicher, daß Ihr Dienst die Bande der Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Pakistan und dem Heiligen Stuhl festigen wird. Für Sie, Ihre Familie und Ihre Mitbürger erbitte ich von Herzen den reichen Segen des allmächtigen Gottes.
*L'Osservatore Romano n. 41 pp. 8, 9.
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