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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DES GENERALKAPITELS
DER KONGREGATION
DEL HEILIGSTEN ERLÖSERS (REDEMPTORISTEN)

Freitag, 3. Oktober 2003 

 

1. Das Generalkapitel, das Euer Institut zur Zeit veranstaltet, bietet mir die willkommene Gelegenheit, an Sie und an die Delegierten sowie an alle Mitbrüder meinen herzlichen Gruß zu richten. Damit verbinde ich gerne meine aufrichtigen Glückwünsche, lieber Pater, für Ihre Bestätigung im Amt des Generaloberen, und ich spreche sowohl Ihnen als auch dem neuen Generalrat meine besten Wünsche für eine fruchtbringende Tätigkeit aus. In diesen Tagen des intensiven Gebets und der gemeinsamen Überlegungen wollt Ihr Kraft schöpfen, um der Verkündigung der »copiosa redemptio« an die Armen – die den Kern des Charismas der Kongregation der Redemptoristen bildet – neue Impulse zu verleihen. Im Mittelpunkt des Generalkapitels steht daher die Betrachtung über das Thema Sein Leben hingeben für die überreiche Erlösung. Der Heilige Geist gewähre einem jeden jene Weisheit des Herzens und jene prophetische Leidenschaft, die unabdingbar sind, um Eurer religiösen Familie noch größeren missionarischen Eifer zu verleihen.

Aus diesem wichtigen Anlaß setze ich mit Eurer Kongregation gerne den Dialog fort, der in den vergangenen Jahren einige besonders bedeutungsstarke Momente erfahren hat. Im Apostolischen Schreiben Spiritus Domini zum 200. Todestag des hl. Alfons (1987) hatte ich Gelegenheit, die Aktualität der sittlichen und seelsorglichen Botschaft des Schutzpatrons der Beichtväter und Moraltheologen herauszustellen: Er war »ein Lehrmeister der Weisheit in seiner Zeit«, der »mit seinem vorbildlichen Leben und seiner Lehre auch weiterhin den Weg des Gottesvolkes erleuchtet als Widerschein Christi, des Lichtes der Völker« (vgl. AAS 79 [1987], S. 1365).

Liebe Zehn Jahre später schrieb ich anläßlich des 300. Jahrestages seiner Geburt: »Es ist notwendig, die Sinnfülle, die Christus dem Menschenleben eröffnet, das unerschütterliche Fundament, das er den Werten zugrundelegt, und die neue Hoffnung, die er in unsere Geschichte einführt, kraftvoll zu verkündigen. Es handelt sich dabei um eine Verkündigung, die verwirklicht werden muß im Rahmen der konkreten Herausforderungen, denen die Menschheit heute gegenübersteht und von denen ihre Zukunft abhängt. Nur so kann die Zivilisation der Liebe, nach der sich alle sehnen, auch Gestalt annehmen« (vgl. AAS 89 [1997], S. 142).

2. Bei diesem Generalkapitel habt Ihr nun Gelegenheit, die gegenwärtige Situation Eures Instituts zu untersuchen, das – wie andere auch – in einigen Teilen der Welt eine Phase des ermutigenden Aufschwungs erlebt, während anderswo Anzeichen der Krise und Müdigkeit festzustellen sind. Während also beispielsweise in einigen Ländern die Berufungen in großer Zahl erblühen, sind anderorts so wenige Berufungen zu verzeichnen, daß die Zukunft Eurer Kongregation in diesen Regionen in Frage steht. Wenn die Versuchung, sich den heute vorherrschenden Lebensund Verhaltensweisen anzupassen, in Eure Gemeinschaften Einzug hielte, dann bestünde die Gefahr einer Schwächung des religiösen Geistes und des missionarischen Eifers. In gleicher Weise könnte ein resignierter Rückzug in Seelsorgeformen, die keine angemessenen Antworten auf das Erlösungsbedürfnis der heutigen Menschen mehr geben, das ersehnte missionarische Wiedererwachen Eurer gesamten religiösen Familie behindern.

Wie wichtig ist daher die Erkenntnis, zu der Ihr durch eine prophetische Deutung der Zeichen der Zeit im Lichte des Wortes Gottes gelangen wollt! Ich bin sicher, daß das Generalkapitel dem von Euch begonnenen Werk der Erneuerung einen entscheidenden Antrieb vermitteln wird, indem Prioritäten festgelegt und mutige apostolische Entscheidungen getroffen werden, um dann jeden Mitbruder in die sich daraus ergebende Pflicht zu deren großherziger Anwendung einzubeziehen. Ohne den Beitrag aller wäre es schwierig, den ersehnten spirituellen Aufschwung zu verwirklichen.

Liebe Redemptoristen! Laßt Euch vom Geist des gekreuzigten und auferstandenen Herrn leiten. Ich wiederhole heute vor Euch die Worte, die ich im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte an das gesamte Volk Gottes richtete: »Gehen wir voll Hoffnung voran! Ein neues Jahrtausend liegt vor der Kirche wie ein weiter Ozean, auf den es hinauszufahren gilt. Dabei zählen wir auf die Hilfe Jesu Christi. Der Sohn Gottes, der aus Liebe zum Menschen vor zweitausend Jahren Mensch wurde, vollbringt auch heute sein Werk. Wir brauchen aufmerksame Augen, um es zu sehen, und vor allem ein großes Herz, um selber seine Werkzeuge zu werden« (Nr. 58).

3. Geht voll Hoffnung voran! Bemüht Euch, wie Euer Gründer, den Blick fest auf den Erlöser zu richten, und laßt Euch von Maria, seiner und unserer Mutter, führen. Nur so könnt Ihr »Mitarbeiter, Teilhaber und Verwalter Jesu Christi im großen Werk der Erlösung sein« (vgl. Costituzioni e Statuti della Congregazione del Santissimo Redentore, Rom 2001, Nr. 2).

Ihr seid berufen, »am Sendungsauftrag der Kirche « teilzuhaben durch die Verbindung eines Lebens der besonderen Hingabe an Gott mit der Missionstätigkeit nach dem Beispiel unseres Erlösers Jesus Christus. Dies gilt vor allem für die Verkündigung des Wortes Gottes an die Armen, denn Er selbst sagte von sich in diesem Zusammenhang: »Evangelizare pauperibus misit me« (vgl. ebd., Nr. 3). Um diesen besonderen missionarischen Dienst zum Erfolg zu führen, ist es in erster Linie nötig, ein intensives persönliches und gemeinschaftliches Gebet zu pflegen.

Die Menschen, die Euch begegnen, sollen Euch als »Männer Gottes« wahrnehmen und im Kontakt mit Euch die Liebe des himmlischen und barmherzigen Vaters erfahren, der nicht gezögert hat, seinen eingeborenen Sohn für das Heil der Menschheit hinzugeben (vgl. 1 Joh 4,9–10). Sie sollen in Euch die innere Haltung des Guten Hirten Jesus erkennen, der stets auf der Suche nach dem verlorenen Schaf ist und immer bereit, seine Wiederauffindung zu feiern (vgl. Lk 15,3–7).

4. Die Konstitutionen Eures Instituts fordern Euch auf, die seelsorglichen Notwendigkeiten zu erkennen unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Euer Amt nicht so sehr von spezifischen Tätigkeitsformen gekennzeichnet ist, sondern vielmehr von einem Liebesdienst zugunsten jener Menschen und Personengruppen, die aufgrund ihrer spirituellen und sozialen Verhältnisse besonders arm und verlassen sind.

Entfaltet dieses Apostolat mit einer »kreativen Treue«, die den ursprünglichen Geist bewahrt, vor allem indem Ihr den Unternehmungsgeist, die Erfindungsgabe und die Heiligkeit Eures Gründers aufzeigt als Antwort auf die Zeichen der Zeit, die in der heutigen Welt festzustellen sind (vgl. Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 37).

In der Tat stehen auch in unseren Tagen aus mancherlei Gründen viele Menschen Christus und der Kirche fern, und nicht wenige warten auf eine Erstverkündigung des Evangeliums. Vom Vorbild des hl. Alfons und anderer Heiliger und Seliger Eures Instituts angespornt, sollt Ihr ohne zu zögern auf sie zugehen, um ihnen das Evangelium in einer den unterschiedlichen persönlichen und sozialen Umständen angemessenen Weise vorzustellen. Suche nach Heiligkeit

5. In der Schule Eures Gründers sollt Ihr zu Lehrmeistern eines evangeliumsgemäßen Lebens werden, und durch die Anwendung des volksnahen Stils, der Eure pastorale Methodik auszeichnet, sollt Ihr alle Getauften an ihre Berufung zur Heiligkeit, »diesen ›hohen Maßstab‹ des gewöhnlichen christlichen Lebens«, erinnern (Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 31).

Der hl. Alfons Maria de Liguori setzte sich für die Entfaltung dieses Bewußtseins beim christlichen Volk ein. »Es ist ein großer Irrtum« – so schrieb er –, »wenn manche sagen: Gott will nicht, daß alle Menschen heilig seien. ›Nein‹, sagte der hl. Paulus: ›Haec est … voluntas Dei sanctificatio vestra‹ (1 Thess 4,3). Gott will, daß alle Menschen heilig seien, ein jeder in seinem Stand« (vgl. Pratica di amar Gesù Cristo, in: Opere Ascetiche, Bd. 1, Rom 1933, S. 79).

Die Suche nach Heiligkeit sei das Fundament all Eurer Pastoralprogramme, und Eure Gemeinschaften sollen zu »Oasen« der Barmherzigkeit und Aufnahme werden, zu Schulen eines intensiven Gebets, das sie jedoch nicht von einem Engagement in der Geschichte abbringen soll (vgl. Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 33).

Die Wege der Heiligkeit sind sehr persönlich und erfordern eine wahre »Pädagogik der Heiligkeit«, die sich den Lebensrhythmen jedes einzelnen Individuums anzupassen vermag (vgl. ebd., 31). Die komplexe Gesellschaft, in der wir leben, erhöht die Bedeutung dieses apostolischen Dienstes; er beginnt bei den jungen Menschen, die oft mit widersprüchlichen Lebensentwürfen konfrontiert sind. Teilt Euer Charisma mit den Laien, damit auch sie bereit werden, ihr Leben für die überreiche Erlösung hinzugeben. Eure apostolische Tätigkeit wird auf diese Weise zum »Dienst an der Kultur, der Politik, der Wirtschaft und der Familie« (ebd., 51).

6. Wenn Ihr die »copiosa redemptio« freudig und durch einen konsequenten Lebensstil verkündet, werdet Ihr im Herzen vieler Menschen die Hoffnung des Evangeliums wecken und stärken – vor allem unter denen, die es am meisten brauchen, weil sie von der Sünde und ihren unheilvollen Folgen gezeichnet sind. Ich wünsche von Herzen, daß aus der Kapitelsversammlung nützliche Richtlinien für wirkungsvolle apostolische Pläne hervorgehen, die den Erwartungen und Herausforderungen unserer Zeit entsprechen.

Bei dieser Aufgabe mögen Euch Maria, die Mutter von der Immerwährenden Hilfe, Euer heiliger Gründer und alle Heiligen und Seligen Eurer geistlichen Familie unterstützen.

Ich versichere Euch meines ständigen Gebetsgedenkens am Altar und erteile Ihnen, Hochwürdiger Pater, den Kapitelsvätern und der gesamten Kongregation des Heiligsten Erlösers meinen besonderen Segen.



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