JUBILÄUMSPILGERREISE
VON PAPST JOHANNES PAUL II.
INS HEILIGE LAND (20.-26. MÄRZ 2000)
BEGRÜSSUNGSZEREMONIE BEI DER ANKUNFT AUF DEM FLUGHAFEN
"BEN GURION" IN TEL AVIV/ISRAEL
ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
Dienstag, 21. März 2000
Lieber Präsident Weizmann,
liebe israelische Freunde,
Exzellenzen, meine Damen und Herren!
1. Gestern habe ich von den Höhen des Berges Nebo über das Jordantal hinweg in dieses gesegnete Land geblickt. Mit tiefer Ergriffenheit setze ich heute meinen Fuß in das Land, wo Gott beschloß, »sein Zelt aufzuschlagen« (vgl. Joh 1,14; Ex 40,34–35; 1 Kön 8,10–13), und es den Menschen ermöglichte, ihm unmittelbarer zu begegnen.
Es ist mein starker persönlicher Wunsch gewesen, in diesem Jahr des zweitausendsten Jahrestages der Geburt Jesu Christi hierherzukommen und an den bedeutendsten Stätten zu beten, die seit ältesten Zeiten das Eingreifen Gottes, die Wundertaten, die er vollbrachte, erlebt haben. »Du allein bist der Gott, der Wunder tut, du hast deine Macht den Völkern kundgetan« (Ps 77,15).
Herr Präsident,
ich danke Ihnen für den herzlichen Empfang und grüße in Ihrer Person alle Menschen des Staates Israel.
2. Mein Besuch ist zugleich eine persönliche Pilgerfahrt wie auch die geistliche Reise des Bischofs von Rom zu den Ursprüngen unseres Glaubens an »den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs« (vgl. Ex 3,15). Er ist Teil einer größeren Pilgerreise des Betens und Dankens, die mich zuerst an den Sinai geführt hat, den Berg des Gesetzes, den Ort der entscheidenden Offenbarung, welche die folgende Heilsgeschichte prägte. Nun werde ich den Vorzug haben, einige mit dem Leben, dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi enger verbundene Stätten zu besuchen. Auf jedem Schritt des Weges trägt mich ein lebendiges Empfinden Gottes, der uns vorangegangen ist und uns anführt, der will, daß wir ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten, daß wir die Unterschiede unter uns anerkennen, zugleich aber in jedem Menschen das Bild und Gleichnis des Einen Schöpfers des Himmels und der Erde erkennen.
3. Herr Präsident,
Sie sind als ein Mann des Friedens und als Friedensstifter bekannt. Wir alle wissen, wie dringend die Notwendigkeit des Friedens und der Gerechtigkeit nicht allein für Israel, sondern für die ganze Region ist. Vieles hat sich geändert in den Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und dem Staat Israel, seit mein Vorgänger Papst Paul VI. im Jahr 1964 hierherkam. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen unter uns im Jahr 1994 hat die Bemühungen besiegelt, eine Ära des Dialogs zu eröffnen über Fragen gemeinsamen Interesses von Belang: Religionsfreiheit, Beziehungen zwischen Kirche und Staat und, allgemeiner, Beziehungen zwischen Christen und Juden. Auf einer anderen Ebene verfolgt die Weltöffentlichkeit mit eingehendem Interesse den Friedensprozeß, der alle Völker der Region beteiligt sieht an der schwierigen Suche nach einem dauerhaften Frieden mit Gerechtigkeit für alle. Mit neugefundener Offenheit füreinander müssen Christen und Juden miteinander mutige Anstrengungen unternehmen, um alle Formen von Vorurteil zu beseitigen. Wir müssen immer und überall danach trachten, das wahre Antlitz der Juden und des Judaismus wie auch der Christen und des Christentums zu zeigen, und das auf allen Ebenen der Mentalität, der Lehre und der Kommunikation (vgl. Ansprache an die Jüdische Gemeinde von Rom, 13. April 1986, 5).
4. Meine Reise ist daher eine Pilgerfahrt im Geist demütiger Dankbarkeit und Hoffnung an die Ursprünge unserer Religionsgeschichte. Sie ist ein Tribut an die drei Religionstraditionen, die in diesem Land koexistieren. Lange habe ich mich danach gesehnt, den Gläubigen der katholischen Gemeinden in ihrer reichen Vielfalt sowie den Mitgliedern der verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, die im Heiligen Land anwesend sind, zu begegnen. Ich bete, mein Besuch möge als Ermutigung für ein Anwachsen des interreligiösen Dialogs dienen, dessen Ziel es ist, Juden, Christen und Muslime dahin zu führen, in ihrem jeweiligen Glauben und in der allgemeinen Brüderlichkeit, die alle Mitglieder der Menschheitsfamilie untereinander verbindet, den Anlaß und das Beharrungsvermögen zu suchen, um für den Frieden und die Gerechtigkeit zu arbeiten, welche die Völker im Heiligen Land noch nicht haben und doch so sehr ersehnen. Der Psalmist erinnert uns daran, daß der Friede Geschenk Gottes ist: »Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen« (Ps 85,9). Möge der Friede das Geschenk Gottes für das Land sein, das er als sein Eigen erwählte!
Shalom.
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