JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 25. Juni 2003
Lesung: Joh 21,15–17
15 Das Wort des Auferstandenen an Petrus
Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer!
16 Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!
17 Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Hast du mich lieb? Er gab ihm zu Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebhabe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir soeben gehört haben, hat uns eine eindrucksvolle Szene vor Augen geführt. Der Sohn Gottes vertraut Petrus seine Herde an, seine Kirche, die – wie er schon zuvor zugesichert hatte – die Mächte der Unterwelt nicht überwältigen werden (vgl. Mt 16,17–18). Bevor Jesus ihm diesen Auftrag erteilt, fragt er ihn nach seiner Liebe: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?« (Joh 21,15). Eine beunruhigende Frage, die, weil dreimal wiederholt, an die dreifache Verleugnung des Apostels denken läßt. Trotz der bitteren Erfahrung beteuert er einfach: »Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebhabe« (Joh 21,17).
Die Liebe ist das Geheimnis der Sendung des Petrus! Die Liebe ist auch das Geheimnis derer, die berufen sind, den Guten Hirten in der Leitung des Volkes Gottes nachzuahmen. »Officium amoris pascere dominicum gregem … – Pflicht der Liebe ist, die Herde des Herrn zu weiden…«, pflegte Paul VI. zu sagen, indem er sich ein bekanntes Wort von Augustinus zu eigen machte.
2. »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?« Wie oft mag mein verehrungswürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., dessen wir heute gedenken, diese Worte Jesu in seinem Innersten vernommen haben. Seit seiner Wahl auf den Stuhl Petri am 21. Juni 1963 sind 40 Jahre vergangen, und 25 Jahre seit seinem Tod am 6. August 1978. Schon in jungen Jahren arbeitete er im Dienst des Apostolischen Stuhls neben Pius XI. Lange Zeit zählte er zu den treuesten und tüchtigsten Mitarbeitern von Pius XII. Er war der direkte Nachfolger des seligen Johannes XXIII., den ich vor drei Jahren zu meiner Freude seligsprechen konnte. Sein Dienst als oberster Hirte der universalen Kirche dauerte 15 Jahre und war vor allem vom II. Vatikanischen Konzil und von einer weiten Öffnung für die Ansprüche der Neuzeit gekennzeichnet.
Ich hatte auch die Gnade, an den Konzilsarbeiten teilzunehmen und die nachkonziliare Zeit zu erleben. Ich wußte persönlich die Bemühungen zu schätzen, die Paul VI. unablässig fortsetzte, um das notwendige »aggiornamento« der Kirche an die Anforderungen der Neuevangelisierung zu sichern. Als ich ihm auf dem Stuhl Petri nachfolgte, war es mir ein Anliegen, die von ihm begonnene Hirtentätigkeit weiterzuführen, indem ich mich an ihm als einem Vater und Lehrer inspirierte.
3. Paul VI., ein starker und milder Apostel, hat die Kirche geliebt und für ihre Einheit und die Intensivierung ihrer Missionstätigkeit gewirkt. Aus dieser Sicht ist die erneuernde Initiative der Apostolischen Reisen, die ein unerläßlicher Bestandteil des Dienstes des Nachfolgers Petri sind, sehr gut verständlich.
Paul VI. wollte, daß sich die kirchliche Gemeinschaft auf die Welt hin öffnet, jedoch dem weltlichen Geist nicht nachgibt. Mit Klugheit und Weisheit verstand er es, der Versuchung zu widerstehen und sich nicht der modernen Mentalität »anzupassen«, wobei er Schwierigkeiten, Unverständnis und manchmal sogar Anfeindungen mit evangeliumsgemäßer Standhaftigkeit ertrug. Auch in den schwierigsten Augenblicken ließ er es an seinem erleuchtenden Wort für das Volk Gottes nicht fehlen. Am Ende seiner Tage schien die ganze Welt seine Größe zu entdecken und drängte zu ihm hin, um ihn tief betroffen zu umarmen.
4. Sein Lehramt ist sehr reichhaltig und zum Großteil darauf ausgerichtet, die Gläubigen zum Sinn für die Kirche zu erziehen.
Von seinen vielen Aussagen will ich neben der Enzyklika Ecclesiam suam vom Beginn seines Pontifikats das bewegende Glaubensbekenntnis, bekannt als das Credo des Volkes Gottes, nennen, das er am 30. Juni 1968 auf dem Petersplatz mit Nachdruck gesprochen hat. Und wie könnte man die mutigen Stellungnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens in der Enzyklika Humanae vitae verschweigen, oder die zugunsten der Entwicklungsländer in der Enzyklika Populorum progressio für den Aufbau einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft?
Dann gibt es die persönlichen Notizen, die er während der geistlichen Exerzitien zu machen pflegte, während er sich in sich selbst »zurückzog« wie »in die Zelle des Herzens«. Er dachte häufig über den Platz nach, auf den ihn Gott zum Dienst in der Kirche berufen hatte, die er im Geist der Berufung des Petrus »immer geliebt« hat. »In diese Meditation könnte sich keiner so vertiefen wie ich« – merkte er während einer dieser Exerzitien an – »… Sie verstehen, sie leben! Herr, welche Wirklichkeit, welches Geheimnis! … Sie ist ein Abenteuer, bei dem alles von Christus abhängt …« (Einkehrtage 5. bis 13. August 1963; Meditazioni inedite, Ed. Studium).
5. Liebe Brüder und Schwestern! Wir danken Gott für das Geschenk dieses Papstes, dieses unerschütterlichen und weisen Führers der Kirche. In der Predigt am 29. Juni 1978, einen knappen Monat vor dem Ende seines arbeitsamen Erdenlebens, erklärte Paul VI.: »Angesichts der Gefahren, die wir beschrieben haben … fühlen wir uns wie Petrus gedrängt, zu ihm zu gehen als unserem einzigen Heil und zu ihm zu rufen: ›Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens‹ (Joh 6,68). Er allein ist die Wahrheit, er allein ist unsere Stärke, er allein unser Heil! Durch ihn gestärkt, werden wir gemeinsam unseren Weg fortsetzen« (Wort und Weisung im Jahr 1978, Vatikanische Verlagsbuchhandlung, 1979, S. 254).
Im Licht des Zieles der Ewigkeit verstehen wir besser, wie notwendig es ist, Christus zu lieben und seiner Kirche mit Freude zu dienen. Diese Gnade erlange uns Maria, die Paul VI. mit kindlicher Liebe zur Mutter der Kirche erklären wollte. Sie, die Muttergottes, möge diesen ihren frommen Sohn in ihre Arme nehmen in der ewigen Seligkeit, die den treuen Dienern des Evangeliums vorbehalten ist.
„Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich lieb habe" (Joh 21, 17), sagt Petrus zu Jesus. Die Liebe ist das Geheimnis des Petrusdienstes: Officium amoris pascere dominicum gregem.
Vor vierzig Jahren hat der Diener Gottes Papst Paul VI. das Amt des Petrusnachfolgers übernommen. Seine ganze Liebe galt der Kirche, um deren Einheit er sich sorgte. Geprägt vom Zweiten Vatikanischen Konzil suchte er die Öffnung zur Welt, ohne je der Versuchung einer falschen Anpassung an den „Geist der Welt" zu erliegen. Sein Wort ist wegweisend für die Kirche unserer Tage.
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Sehr herzlich begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Verliert niemals das wahre Ziel eures Lebens aus den Augen: die ewige Gemeinschaft mit Gott! Der Weg dahin besteht in einer tiefen Liebe zu Christus und seiner Kirche. Maria, die Mutter der Kirche, erbitte euch die Gnade zu einem Gott wohlgefälligen Leben. Der Herr segne euch alle!
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